Andreas Hofmann: Tokio nach Ellenbogen-OP noch nicht abgeschrieben

16. April 2021 Redaktion 0 Comments

Lea Saur/ Leichtathletik.de/ Foto: Gladys Chai von der Laage

Andreas Hofmann erlebt derzeit ein Déjà-vu: Bestens in Form, wurde er in den vergangenen Monaten von der gleichen Ellenbogen-Verletzung ausgebremst, die ihn schon einmal vor acht Jahren ereilt hatte. Aufgrund seiner Erfahrung im Umgang mit Rückschlägen hat der Speerwerfer nach einer Operation dennoch Grund, für die kommende Saison optimistisch zu sein.

Die gute Nachricht zuerst: „Mir geht es richtig gut“, sagt Andreas Hofmann (MTG Mannheim). „Ich muss es wirklich so sagen: Es läuft alles nach Strich und Faden. Ich war selbst überrascht, wie gut die Ellenbogen-OP verlaufen ist und wie schnell die Reha jetzt anschlägt.“

Moment mal: Andreas Hofmann und eine Ellenbogen-Operation? Wie kam das denn? Sind das Sätze aus dem Archiv von vor acht Jahren, als der Speerwerfer schon einmal wegen seines Ellenbogens unter’s Messer musste?

Erfolgsserie mit Vollbremsung

Nein, aus dem Archiv stammen diese Sätze leider nicht. Ja, der Mannheimer Athlet war im Laufe seiner Karriere immer wieder von Verletzungssorgen geplagt, verpasste beispielsweise nach einem Muskelfaserriss 2016 das Olympia-Ticket als viertbester Deutscher knapp.

Doch die kontinuierliche Leistungssteigerung in den folgenden Jahren auf Weiten über 90 Meter (Bestleistung 92,06 m) inklusive einer beachtlichen Erfolgsserie (8. Platz WM 2017, Universiade-Silber mit 91,07 m, 2018 DM-Titel und EM-Silber) sprachen dafür, dass dem Speerwerfer dieses Mal das gelingen würde, was für Rio noch knapp misslungen war: einen OIympia-Startplatz zu ergattern.

Stattdessen steht aktuell auf dem Programm: Rehabilitation nach dem Eingriff an genau der Sehne im Ellenbogen, die 2013 neu implantiert worden war. Déjá-vu zu 2013. Wie kam es dazu?

Verletzung bereits im August 2020

Im Ellenbogen des Wurfarms zwickte es bereits im August 2020 beim Meeting im finnischen Turku. „Während des Wettkampfs habe ich das gar nicht gemerkt. Erst abends, beim Zähneputzen, habe ich gespürt, dass da was nicht stimmt“, erinnert sich Andreas Hofmann.

Mit Elektrostimulation und Wechseldusche versuchte er den Arm noch im Hotelzimmer zu behandeln, vereinbarte am nächsten Tag direkt einen MRT-Termin in der Heimat. „Die Diagnose lautete damals: Verdacht auf Muskelfaserriss. Ich bin dann noch nach einer zweiwöchigen Wurfpause zum Meeting nach Dessau gefahren, habe aber beim Werfen von der Bahn aus gemerkt, dass es keinen Wert hat.“ Hofmann beendete die Saison, legte eine kleine Pause ein und startete zuversichtlich in den neuen Saisonaufbau.

Diagnose: Erneut Innenband-Riss

„Im November, Dezember konnte ich normal trainieren und alles machen. Erst bei den ersten Würfen Mitte Januar zeigte sich, dass der Schmerz immer noch da ist.“ Das nächste MRT ergab: Die Sehne, die Ende 2013 als Bandersatz eingebaut worden war, war gerissen.

„Klar war diese Nachricht ein Schock. Ich habe das im Auto auf dem Weg ins Training erfahren und konnte die ‚frohe Botschaft‘ direkt meinem Trainer Lutz Klemm verkünden“, berichtet Hofmann. An dem Tag war natürlich nicht mehr an Training zu denken, denn – so die Ansage vom Arzt: „Es gab zwei Optionen: Entweder Spikes an den Nagel hängen oder operieren.“

Drei Tage lang brauchte der Athlet, um die Nachricht zu verarbeiten, sich mit seinem Umfeld zu besprechen und dann eine Entscheidung zu treffen. „Wobei, wenn ich ehrlich bin: Aufgeben war nicht wirklich eine Option. Und: Damals hat es auch geklappt.“

Erster Eingriff wird zur Blaupause für den zweiten

Tatsächlich ist es fast skurril, wie sehr die Situation an Hofmanns Eingriff Ende 2013 erinnert: Nach kontinuierlichen Steigerungen in der Jugend mit dem U20-EM-Titel 2009 und dem ersten 80-Meter-Wurf 2012 für den damals 21-Jährigen sollte es eigentlich weiter bergauf gehen. Stattdessen folgten der Innenband-Riss im Ellenbogen und die Operation. Aber im Anschluss daran eben auch wieder ein überaus erfolgreiches Comeback mit den oben aufgelisteten Erfolgen.

„Diese Erfahrung hat mir natürlich wahnsinnig geholfen. Gerade weil ich die OP schon mal hatte, konnte ich mich seelisch und moralisch besser darauf einstellen und zuversichtlich an die Sache rangehen.“ Der Maßnahmenplan von 2013 wurde kurzerhand zum Fahrplan für die zweite Ellenbogen-Operation: gleicher Operateur (Dr. Boris Hollinger), gleicher Eingriff. Einziger Unterschied: die Ersatz-Sehne kam dieses Mal aus dem Unterarm, nicht aus dem Oberschenkel.

Profitieren von der positiven Erfahrung

Die Atmosphäre war dementsprechend auch beim Eingriff selbst sehr locker: „Kurz bevor ich weggedämmert bin, kam der Doc zu mir und hat mir einen Fistbump gegeben.“ Und auch danach ging es direkt gut weiter: „Wie gut die Akutphase nach der OP verlaufen ist, darüber war ich selbst überrascht. Ich konnte den Arm gleich nach der OP bewegen, die Abläufe an den Tagen danach gingen viel schneller, ich konnte den Arm viel früher viel weiter strecken.“

Neben den medizinischen Entwicklungen, die eine bessere Feinmotorik beim Eingriff erlaubten, sieht Andreas Hofmann die Gründe für den noch positiveren Verlauf als 2013 in seinem Umfeld: „Ich bin älter und reifer und stehe mit meinem Physio- und Trainerstab ganz anders da als noch vor acht Jahren.“ Hofmann steht in engem Kontakt mit seinem Trainer Lutz Klemm und dem OSP Heidelberg und informiert auch Boris Obergföll, DLV-Bundestrainer Speerwurf Männer, regelmäßig über den Stand der Dinge. Auch dieser ist sehr zufrieden mit der Entwicklung. „Seine Ansage lautete: Weitermachen!“

Zeit für Bachelor-Abschluss genutzt

Die Zeit direkt nach dem Eingriff nutzte der Mannheimer, um sein Studium abzuschließen. „Dadurch, dass die OP und die anschließende Reha so gut verliefen, konnte ich bereits wenige Tage nach der OP meine Bachelorarbeit abschicken und in den Wochen danach meine letzten Prüfungen schreiben.“

Selbst für die mündliche Abschlussprüfung ergab sich ein Nutzen aus der erzwungenen Pause: Er wählte das Thema „Postoperative Rehabilitation im Leistungssport nach einer Stabilisierungsoperation des Innenbandes am Ellenbogen durch eine Bandplastik“. Neben einer sehr guten Bewertung ergab sich im Anschluss auch ein lebhaftes, interessantes Gespräch mit den Prüfern, die die Gelegenheit gerne nutzten, sich fachlich mit einem Experten auszutauschen, der von eigenen Erfahrungen berichten konnte.

„Tür zu Tokio noch offen“

Zehn Wochen nach dem Eingriff steht der Athlet wieder im Kraftraum für wurfspezifische Übungen an der Maschine. „Darüber bin ich mega happy und dankbar.“ Die zweite Nachuntersuchung Ende April soll Auskunft darüber geben, wann Andreas Hofmann den Speer wieder in die Hand nehmen kann.

Angesprochen auf die Olympischen Spiele gibt er sich noch vorsichtig. „Stand jetzt ist im Hinterkopf die Tür zu Tokio noch offen. Ich gehe davon aus, dass es zügig wieder ans Gerät rangeht. Ob das reicht für die Quali-Weite, muss man dann sehen.“ Gerade die positiven Erfahrungen nach 2013 sind es, die Andreas Hofmann dabei Rückenwind verleihen dürften.