Der Speerwerfer aus Mannheim setzt das Glanzlicht beim 54. Pfingstsportfest in Rehlingen und wirft 91,44 Meter. von Mark Weishaupt
Wenn man den Körper eines Leichtathleten am Reißbrett entwerfen könnte, ihn so modellieren könnte, dass er die perfekte Statur hat – die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Athlet dabei herauskommt, der Andreas Hofmann ähnlich sieht, ist verdammt hoch. Der Speerwerfer der MTG Mannheim bringt nahezu ideale körperliche Voraussetzungen für seinen Sport mit. 1,95 Meter groß, 108 Kilogramm schwer, muskulär herausragend definiert, dazu mit einer extrem guten Grundschnelligkeit gesegnet.
Wenn dann an einem Tag alles zusammenpasst, kein Muskel zwickt, der gastgebende Verein einen neuen Tartanboden im Anlauf spendiert hat und sich auch der Wind mal kurz zurückhält – dann kann so jemand wie Hofmann die Gelegenheit nutzen und für den Höhepunkt schlechthin bei der 54. Auflage des Leichtathletik-Pfingstsportfestes in Rehlingen sorgen. „Ich hatte die Nacht zuvor gut geschlafen, beim Einwerfen ging es schon ganz gut, ich war gut drauf“, erzählte der 26-Jährige nach seinem historischen Auftritt am Pfingstsonntag im Bungertstadion: „Und ich versuche immer, gleich im ersten Versuch was zu zeigen.“
Und Hofmann zeigte was – und zwar noch nie zuvor Dagewesenes im Bungertstadion. 20 Jahre lang stand der Stadionrekord im Speerwerfen von Boris Henry (heute Obergföll), dem „Bär aus dem Warndt“, bei 89,21 Metern. Bis Hofmann kam. Der Sportstudent griff sich seinen Speer, lief an und feuerte ihn mit einem Urschrei gleich im ersten Durchgang auf sensationelle 91,44 Meter, die zugleich neue persönliche Bestleistung bedeuteten. Die etwa 3000 Zuschauer im Bungertstadion trauten ihren Augen kaum, Hofmann riss die Arme schon hoch, während sein Fluggerät noch unterwegs war, weil er wusste, dass ihm der Wurf gelungen war. „Ich gönne es Andreas, dass er meinen Rekord gebrochen hat“, sagte Boris Obergföll, der am Rand des Anlaufs stand und als verantwortlicher Bundestrainer der Disziplin den historischen Wurf mit der Videokamera aufgenommen hatte.
Auf der Kamera waren auch zahlreiche Videos von Obergfölls Schützling Johannes Vetter, seines Zeichens Weltmeister von 2017, drauf – und die gilt es für Obergföll, genauestens zu analysieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Denn Vetter, den die meisten auf dem Zettel für einen neuen Stadionrekord hatten, kam am Sonntag nicht wirklich zurecht mit den windigen Bedingungen und hatte Probleme beim Abwurf. „Bei Jojo hat sich ein kleiner technischer Fehler eingeschlichen“, erklärte Obergföll: „Er hat den Arm zu tief, und der Speer geht beim Abwurf viel zu steil nach oben. Da muss ich jetzt ran, das ist mein Job. Das kriegen wir aber wieder hin.“ Der weiteste Wurf von Vetter (Bestleistung 94,44 Meter) landete am Sonntag bei 84,14 Metern. Das langte sogar nur für Platz drei, weil der tschechische Vize-Weltmeister Jakub Vadlejch 88,76 Meter zu Buche stehen hatte.
Zurück zum Mann des Tages. Heute fliegt Hofmann in die USA, um am Samstag beim Diamond-League-Meeting in Eugene teilzunehmen. Vor drei Wochen, beim ersten Meeting in Doha/Katar, war Hofmann hinter Olympiasieger Thomas Röhler und Weltmeister Vetter Dritter geworden. „Ich höre und lese immer was von einem Zweikampf“, sagte Hofmann und schickte eine Kampfansage an die beiden Konkurrenten aus dem eigenen Lager: „Wieso eigentlich Zweikampf? Beim nächsten Mal will ich noch weiter und wieder Bestleistung werfen.“ Und dass der Stadionrekord nun wieder 20 Jahre hält, das stellte Hofmann ebenfalls gleich in Frage. „Warum sollte er? Nächstes Jahr“, sagte Hofmann und zwinkerte dem Bundestrainer zu, „ist ja wieder ein Meeting hier in Rehlingen.“ Mit ihm, dem Star des Meetings 2018.